Rede anlässlich der Eröffnung von CAGE100

Funktion: Autor

Erstellungsdatum: 06.07.2012

Thomas Christoph Heyde
Rede anlässlich der Eröffnung von CAGE100

Es hätte John Cage sicher ein Lächeln entlockt, wenn er das hektische Treiben beobachtet hätte, das sich angesichts seines Geburtstages entfaltet. Die nach 1945 musikgeschichtlich zweifellos prägende mitteleuropäische Avantgarde um Karl-Heinz Stockhausen, Luigi Nono und Pierre Boulez, Boulez im übrigen als noch letzter lebender großer Vertreter der Nachkriegsavantgarde ist Schirmherr von CAGE100, diese mitteleuropäische Avantgarde hat selten gelächelt. Vertieft in mathematische Strenge und nicht selten auch manche Borniertheit, die gleichwohl die Gespenster einer politisch manipulierbaren Musik vertreiben sollte, hat sie das Auftreten des amerikanischen Künstlers John Cage Anfang der 50er Jahre gewissermaßen als »Schock« erlebt. Es war, wie sich sehr viel später herausstellte, ein heilsamer Schock.

In diesem Jahr erscheinen wohlgesetzte Festschriften und Publikationen, Konzerte mit Musik von Cage allenthalben. Man wird als zum kritischen Betrachten verpflichteter Geist das Gefühl nicht recht los, dass nicht nur die Kunstwelt, ja tatsächlich eine gewisse Breite der Gesellschaft fast aufatmend nun einen der zweifelsfrei einflussreichsten Künstler des 20. Jahrhunderts in einen kulturhistorischen und musikgeschichtlichen Kanon übernehmen möchte. Plötzlich lächelt Cage einen von überallher an.

Dies verwundert auch deshalb, weil sogar ich selbst noch während meines Kompositionsstudiums und kurz nach Cages Tod die seinerzeit durchaus konsensualisierte Meinung gehört habe, dass sich dieser »UNSINN«, also Cages Kunstverständnis und Werk, nun bald erledigt hätte.

Da bietet ein Künstler, der nicht nur den Zufall zugelassen hat, sondern dem »Draußen« genau soviel Platz einräumte wie dem »Drinnen«, der sich daran erfreute, wenn sich seine Werke mit Straßengeräuschen mischten genauso wie mit dem sonst verschämten Rascheln und Husten von Konzertbesuchern; da bietet solch ein Künstler plötzlich Orientierung, da wird plötzlich aus seinem künstlerisch-utopischen Potential Realität.
(weiterlesen [.pdf])

Die Rede wurde anlässlich der Eröffnung des internationalen Kunst- und Musikfestivals CAGE100 gehalten.
Weitere Informationen zum Projekt sind unter diesen Beiträgen zu finden:

CAGE100 – internationales Kunst- und Musikfestival
CAGE100 – »125 Party Pieces« (Hrsg.)
CAGE100 – EUROPERA 5
CAGE100 – »Party Pieces Project«

DOWNLOADS

Thomas Christoph Heyde, Rede anlässlich der Eröffnung von CAGE100 - gesamter Text
>> Anfrage | Request <<