B-A-C-H | C-A-G-E
Funktion: Autor
Erstellungsdatum: 2012
zwei Weltenordner
Thomas Christoph Heyde
»B-A-C-H | C-A-G-E – zwei Weltenordner«
Erschienen in POSITIONEN 93, 2012
Auszug aus dem Essay:
Beide Künstler, Cage wie Bach, sind Weltenordner. Der eine, Bach, ordnet wie kein zweiter vor und nach ihm die Musik des Abendlandes und ist Spiegel einer Welt, die mit der beginnenden Moderne erstirbt. Maß und Zahl vollenden sich in seinem Œuvre, das bis auf den Basso Continuo keinerlei Variation der musikalischen Bausteine kennt oder ihrer bedarf. Der andere, Cage, ordnet die Zeitenwende, die seit Beginn des 20. Jahrhunderts die Welt globalisiert und vernetzt, durchmischt, umbricht und zerreißt. Dem asynchronen und bisweilen chaotisch anmutenden Weltgefüge verleiht Cage mit indeterminierten Zufallsverfahren System, gibt ihm ebenso Maß und Zahl.
Während Europas Künstleravantgarde aus sich selbst heraus nach Ordnung sucht, ist es historisch fast erschreckend logisch, dass die Zeitenwende durch einen AMERIKANER gekennzeichnet wird, der sich intensiv von der Philosophie und Spiritualität ASIENS befruchten ließ. Sind es doch eben jene beiden Hemisphären, die die Vergangenheit und Gegenwart in geopolitischer wie auch kultureller Hinsicht maßgeblich prägen werden. Während man lange und teils erbittert stritt, ob Cage nun der Moderne oder der
Postmoderne zuzurechnen sei, lässt sich inzwischen erahnen, dass diese Diskussion möglicherweise dadurch hinfällig wird, dass sein Einfluss noch wesentlich nachhaltiger sein könnte. (Auch steht nicht zu befürchten, dass es wie bei Bach noch eines Mendelssohns bedarf, der Cage wiederentdeckt: »zu viele Kopien« mutmaßte Cage bereits kurz vor seinem Tod.) (weiterlesen[.pdf])
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Der Text entstand im Rahmen des internationalen Festivals CAGE100. Informationen dazu sind hier zu finden.
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