Funktion: Komponist
Erstellungsdatum: 1998
für Klavier oder präpariertes Klavier
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Die Positionierung sei vorweggenommen: Ensemble für präpariertes Klavier ist ein Stück mit technomorphen Intentionen; ein Stück also ohne willentlich hinzugefügte, (gesellschafts-, sozial-) kritische Implikationen.
Technomorph auch im Sinne eines mechanisch-technisches Lustprinzips, welches natürlich – sozusagen in innere Bewegung geraten – weit über die reine Technokratie hinausgeht. Extremfall – auch pianistisch.
Beeinflußt und beeindruckt von wissenschaftlichen Phänomenen, lebt das Stück, bei klarem formalen Aufbau, sehr von seinem rhythmisch-klanglichen Innenleben und von seinem ausgewählten Tonmaterial, welches den einzelnen Abschnitten entsprechend zugeordnet ist.
Der intendierte und natürlich virtuelle Ensemblegedanke wird in diesem rastlosen Solistenstück gestützt und hervorgebracht durch die Präparation bestimmter, relativ weit auseinanderliegender Töne (insgesamt 16 Töne: 2-5-3-2-4). Sie sollen durch die Permanenz ihres Auftretens und in Folge ihrer hervortretenden Klangfarbe den Eindruck von Einzelinstrumenten erwecken.
Ensemble wurde 1998 in Leipzig durch Eckehard Schubert uraufgeführt.
Thomas Christoph Heyde
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Titel: Rezension »Ensemble« für präpariertes Klavier, Oktober 2002
Publikation: Leipzig Almanach
Thomas Chr. Heydes Stück “Ensemble für präpariertes Klavier” wurde solistisch von Eckehard Schubert aufgeführt. Macht man sich den Sinn des Wortes “Ensemble” einmal bewusst, entsteht ein eigenartiger Widerspruch: einerseits ruft es das Bild von einer Gruppe individueller Teile hervor, andererseits steckt in dem lateinischen Ursprung auch “similis” – “ähnlich”, was die Betonung eher auf das “Gleiche” im Ensemble legt.
Das Ganze wird durch die Präparierung einzelner Bereiche in individuelle Stimmen zerteilt. Es entsteht ein “virtuelles” Ensemble und die sonst eher homogene Klangmasse des Klaviers wird demontiert. Dabei entwickelt sich keine Vielschichtigkeit im Sinne einer Überlagerung und Verschmelzung der einzelnen Klänge, vielmehr grenzen sich die “Spieler des Ensembles” durch ihre Verfremdung voneinander ab, bleiben autonom. Zunächst irritiert die Klangverschiebung zwischen den präparierten und unpräparierten Bereichen, doch schon bald scheinen die verfremdeten Klänge vertrauter als die bekannten.
Das Klavier wird Schlaginstrument, was eine fremdartige Sperrigkeit hervorbringt. Die Klangbruchstücke werden aneinander geheftet, ohne dass zwischen ihnen wirklich ein durchgehender Rhythmus erscheint. Dieser bleibt noch im Gestus des Interpreten angedeutet, vielleicht um die Bewegungen zwischen den rhythmischen Fragmenten zu vollziehen, vielleicht aber auch als rudimentärer Ausdruck eines fließenden Klangs. Die Verbindungen erscheinen unterbrochen und der Klang wird auf sein absolutes Minimum reduziert. Einzelne Töne und die Räume zwischen ihnen markieren die vergehende Zeit.
Ein “des” wird über eine lange Sequenz immer wieder von neuem aufgerufen, als insistierte es darauf, gehört zu werden, wird zunehmend stärker angeschlagen und weigert sich doch sogleich zu klingen. Die Präparierung dämpft es extrem, wobei dennoch der Eindruck des Lauten und Starken, hervorgerufen durch den körperlichen Ausdruck des Interpreten, bleibt.
Wieder wird die Hörgewohnheit gebrochen, da die Diskrepanz zwischen der Stärke des Anschlags und der ausbleibenden Wirkung im Hörbaren kaum überbrückt werden kann. Durch diese subtile Verfremdung wird der ursprüngliche Ton aus der Erinnerung hervorgerufen und, indem er fehlt, ins Bewusstsein gerückt. So bleibt der Gestus des Interpreten oft völlig losgelöst von dem durch ihn erzeugten Klang. Diese Trennung lässt den Eindruck entstehen, dass auch er nur einer der “Spieler im Ensemble” ist.
(Ulrike Felsing)
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Verlag: Ebert Musik Verlag Leipzig
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Widmung: für Eckehard Schubert
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