Der Elefant, der keiner war
Funktion: Autor
Erstellungsdatum: 2022
Thomas Christoph Heyde
Der Elefant, der keiner war
Erschienen in »Politik und Kultur«, Berlin, 04/2022
Der Elefant, der keiner war
Im September des Jahres 2002 waren wenige Monate seit der Gründung der Kulturstiftung des Bundes vergangen und in der »Szene« hatte man mit einiger Skepsis auf dieses gewichtige Förderkonstrukt geblickt, auf diesen »Elefanten«, der sich da vorgeblich in den Kulturraum stellen würde. Insbesondere in den neuen Bundesländern sah man über zehn Jahre nach der Wiedervereinigung eher die Notwendigkeit, jene zarten Strukturen zeitgenössischen Kunstschaffens zu stärken, die sich niederschwellig entweder neu gebildet oder sich über ´89 hinaus erhalten hatten. Ein solches zartes Pflänzchen, das Forum Zeitgenössischer Musik Leipzig [FZML], leitete ich seinerzeit und freudig überraschte es mich, als mich eben in jenem September eine Anfrage der Kulturstiftung erreichte, inwieweit die Stiftung zur Stärkung der Strukturen durch Vernetzungen beitragen könne. Etliche wegweisende Projekte durfte ich seitdem persönlich begleiten und beobachten, die die Innovationsfreudigkeit der Stiftung belegten und – dies ist besonders hervorzuheben – sich der Nachhaltigkeit verpflichtet fühlten.
Nun, zwanzig Jahre später, ist der Blick auf die Notwendigkeiten, auf den Ideenreichtum und die Fragstellungen der Kulturschaffenden, auf mutige, leise und wuchtige Konzeptionen Teil meiner Tätigkeit als Mitglied der Jury »Allgemeine Projektförderung« bei der Kulturstiftung des Bundes. Diesem Tun begegne ich halbjährlich immer wieder mit Ehrfurcht und Neugier.
In der Jury schwingt niemand das Schwert – im Gegenteil: hier wird mit Lauterkeit gerungen.Gemeinsam justieren die Kolleginnen und Kollegen, deren fachliche Heterogenität sich als zutiefst gewinnbringend erweist, in aufgeladenen Gesprächen um Einigkeit.
Dem Elefanten, der keiner war, der Kulturstiftung des Bundes, wünsche ich Weitblick, politische Unabhängigkeit und Mut.
Thomas Christoph Heyde
Der Verfasser ist geschäftsführender künstlerischer Leiter des Forum Zeitgenössischer Musik Leipzig [FZML] und Mitglied der Jury »Allgemeine Projektförderung« der Kulturstiftung des Bundes
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